Trump ist ein Putschist
Der Präsident der USA, der am 6. Januar zum Marsch auf das Capitol aufrief, hat nicht die Gesellschaft, sondern die ArbeiterInnenklasse gespalten.
Wäre in der Türkei Erdogan abgewählt worden, hätte seine AKP-Anhänger mobilisiert und hätten diese das Parlament gestürmt, wäre das von allen bürgerlichen Medien und PolitikerInnen als Putschversuch bezeichnet worden. Doch was ihnen für die Türkei und Russland gilt, gilt nicht für die USA.
Trump ist ein Putschist. Seine Anhänger sind Putschisten. Die republikanische Partei ist eine Putschpartei. Kein Politiker von CDU, CSU, SPD und FDP wagt das auszusprechen. Das imperialistische Deutschland bleibt der beste Freund der imperialistischen USA.
Wahlbetrug?
Trump bekam gut 74 Mio. Stimmen, Biden 81 Mio. Stimmen. 2016 erhielt Trump knapp 63 Mio. Stimmen, Clinton knapp 66 Mio. Stimmen. Biden brauchte sieben Millionen Stimmen mehr als Trump, um das Wahlleutesystem zu überwinden, an dem Clinton mit einem Plus von drei Millionen Stimmen gescheitert war. Und dieses Land mit dem undemokratischen Wahlverfahren präsentieren uns PolitikerInnen von CDU bis FDP und die bürgerliche Medien als „älteste Demokratie der Welt“.
Ein Kapitalist an der Regierung
Trump ist Milliardär. Er soll 2-3 Mrd. $ Vermögen und eine Mrd. $ Schulden haben. Er herrscht in seinem Wirtschaftsimperium uneingeschränkt, entscheidet letztendlich alles allein, heuert und feuert. In seinem Unternehmen ist er der Boss, der Diktator. Auch in jedem anderen internationalen Konzern herrscht das Direktionsrecht. Der Präsident der USA ist nicht durchgeknallt oder verrückt. Er hat als Präsident die US-Regierung nur so geführt wie als Kapitalist sein Trump-Imperium. Das wurde von der herrschenden Klasse widerspruchslos hingenommen.
Trump zahlte in zehn von fünfzehn Jahren keine Einkommensteuern. Er weigerte sich, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen. Wer weiß, was in seiner Amtszeit an Korruption, Bestechung, Vorteilsnahme und Begünstigung geschehen ist? Nach seiner Abwahl muss Trump intensive Nachforschungen befürchten. Die will er um jeden Preis verhindern. Feige schickte er seine Anhänger vors Capitol, um das Wahlergebnis auf eigene Faust zu revidieren. Das kam selbst bei den Kapitalisten nicht gut an. Als Erster forderte der Verband der National Association of Manufacturers ein Amtsenthebungsverfahren.
Erfolgreicher Spalter
Trump hat nicht die USA gespalten, denn die kapitalistische Gesellschaft ist in Reiche und Arme, Herrscher und Beherrschte, Kapitalisten und Lohnabhängige gespalten. Trumps größter Erfolg war nicht die Spaltung der Gesellschaft, sondern die der ArbeiterInnenklasse. Seine rassistische Hetze gegen flüchtende Latinos, chinesische Konkurrenten und kriminelle Afro-Americans ist bei vielen weißen ArbeiterInnen gut angekommen. Sie leugnen die Corona-Pandemie, die menschengemachte Klimakatastrophe und die rassistische Unterdrückung. Hinter einer allgemeinen staatlichen Krankenversicherung sehen sie das Gespenst des Sozialismus. Sie flüchten in Nationalismus und in die Sackgasse des Protektionismus. Sie übernahmen das Programm der Finanzkapitalisten, die kurzfristige Profite machen wollen und langfristige Investitionen in die Zukunft ablehnen. Hinzu kommen Faschisten, christliche Fundamentalisten und Impfgegner. Überraschend unterstützen auch weiße Frauen den offenen Chauvinisten Trump. Kein Wunder, dass sich hierzulande viele Anhänger der AfD in Trumps Bewegung wiedererkennen.
Waren in den USA weiße ArbeiterInnen lange privilegiert, schreckt sie heute der soziale Abstieg. Ihre Gegner sehen sie nicht im Kapital, den Milliardären und Konzernzentralen, sondern in der Latina oder African-American, die neben ihnen arbeiten. Sie suchten den starken Mann und fanden ihn im Milliardär, der ihnen neue, alte Privilegien verschaffen soll. Trump ist ihr Idol. Für ihn stürmten sie das Capitol. Wären es nicht Weiße, sondern Afro-Americans gewesen, dann hätten die Trump-Anhänger unter den Polizisten keine Barrieren geöffnet, sondern sofort geschossen.
Black and white, unite and fight
Das Geschwätz eines Joe Biden, der seine Unterstützer mit den Anhängern Trumps versöhnen will, ist genauso wenig wert, wie der Glaube der PolitikerInnen von CDU, CSU, SPD und FDP an die Selbstheilungskräfte der US-Milliardärs-Demokratie.
Nur der Klassenkampf kann auf lange Sicht die ArbeiterInnenklasse der USA wieder vereinigen. Dazu können die Democratic Socialists of America, die von 75.000 Mitglieder im Oktober auf 86.000 Mitglieder im Dezember 2020 angewachsen sind, einen wichtigen Beitrag leisten.
Trumps Abwahl und Sturz ist ein Rückschlag für alle Rechtsradikalen weltweit und für seine AfD-Bewunderer in Deutschland. Ihr Idol hat einen unrühmlichen, feigen Abgang gemacht. Zu befürchten ist allerdings, dass seine militanten Anhänger in den USA nun zum Sturmgewehr greifen, um mit SozialistInnen und den AktivistInnen der Black-Lives-Matter-Bewegung abzurechnen.
RIR, 10.01.2021
- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -
Landtag NRW diskutierte über ThyssenkruppKein Kredit für bürgerliche Stahlpolitik!
Am 27.11.2020 debattierten die Parteien im Landtag NRW in einer aktuellen Stunde über die Lage von Thyssenkrupp und die Perspektiven von Thyssenkrupp-Steel.
Die AfD ist gegen einen Einstieg des Staates bei Thyssenkrupp Steel. Hauptverantwortlich für die Krise von Thyssenkrupp Steel (TKS) sei neben Managementfehlern die Regierungspolitik, die den Kernenergie- und Kohle- und den Automobilsektor zerstöre. Hinzu käme das Stahldumping der „chinesischen Kommunisten“.
Die in NRW regierende Koalition CDU-FDP will keine Landesbeteiligung an Thyssenkrupp Steel, weil sie, wenn auch nicht deutlich ausgesprochen, auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) des Bundes setzt. Gespräche mit dem britischen Stahlhersteller Liberty Steel seien positiv verlaufen, die Abtrennung des Stahlgeschäfts und die Fusion von ThyssenKrupp mit einem anderen Stahlkonzern notwendig. Überkapazitäten müssten abgebaut werden.
Die SPD fordert den Einstieg des Landes NRW bei Thyssenkrupp Steel. Der nicht ganz falsche Vorschlag ist bloße Parteitaktik, ist doch die SPD in Berlin an den Verhandlungen über einen Einstieg des Bundes bei TKS mittels des Wirtschaftsstabilisierungsfonds beteiligt.
Die FDP lobte die Vorstandsvorsitzende Merz der Thyssenkrupp AG (TK). Sie gehe nun die Probleme an: Ihr Plan sehe vor, eine Sparte zu verkaufen und das Stahlgeschäft abzutrennen. Das Kaufangebot von Liberty Steel sei gut begründet.
Die Grünen schlagen für den Umbau von Thyssenkrupp Steel auf die Produktion von grünem Stahl eine Beteiligung des Bundes über den WSF vor. Sie fordern den Verzicht der Manager auf Boni und der Aktionäre auf Dividenden. Zu einer möglichen Stahlfusion sagten die Grünen nichts, kritisierten aber den Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen bei TK und fordern ein Moratorium (d.h. ein Stopp) von Werksschließungen.
Wenig Ahnung, seichte Kritik
Abgehoben wie die bürgerlichen Parteien sind, glänzten die Redner nicht durch Sachkenntnis. Ein AfD-Sprecher ging von über 160.000 statt von 103.000 Mitarbeitern bei Thyssenkrupp aus. Er hatte den Verkauf der TK-Elevator übersehen. Die seichte Managerkritik der SPD konzentrierte sich im Landtag auf die Beschäftigung eines Herrn Desai beim Kaufinteressierten Liberty Steel als eine Art Verrat des ehemaligen TK-Stahlchefs, der früher ein Hauptbeteiligter am brasilianischen Abenteuer gewesen sei. Dabei beschloss der TK-Aufsichtsrat das Projekt eines neuen Stahlwerks, mit dem 12 Mrd. Euro in den Sümpfen Brasilien versenkt wurden, im Jahr 2004/2005, als Desai noch gar nicht bei Thyssenkrupp Steel eingestellt war.
Über Managerkritik am Brasilienabenteuer kam die Kritik der Parteien nicht hinaus. Niemand erwähnte die bei der Thyssenkrupp AG dominierenden Finanzkapitalisten. Vor dem Kapital und den Aktionären macht die Kritik jeder bürgerlichen Partei halt. Zwar bedauerten alle Landtagsparteien den Arbeitsplatzabbau. Aber eine konkrete Kritik an der Kahlschlagpolitik der Vorstände Merz, Burkhard und Keysberg äußerte kein einziger Redner. Zum Jahresabschluss bekamen die drei Vorstandsmitglieder, wie die Abgeordneten unschwer im Geschäftsbericht hätten nachlesen können, bei 5,5 Mrd. Euro Jahresfehlbetrag eine Erfolgsprämie von 500.000 bzw. 200.000 Euro.
Dort steht auch, dass sich durch den Verkauf der TK Elevator das Eigenkapital auf 10,2 Mrd. Euro und das Nettofinanzguthaben auf 5,1 Mrd. Euro erhöhte. TK-Steel sieht sich, verschärft durch die Corona-Pandemie, wachsender Konkurrenz auf dem Weltstahlmarkt ausgesetzt. Der Kampf gegen die Klimazerstörung verlangt eine Umstellung der Industrie auf nachhaltige Produktion. Um grünen Stahl herzustellen, braucht Thyssenkrupp 10 Mrd. Euro Investitionen. Thyssenkrupp ist schwer angeschlagen, aber nicht pleite.
Der Weltstahlmarkt
Der Weltstahlmarkt expandierte bis 2018. China steigerte seine Produktion in den letzten zwei Jahrzehnten um das über Siebenfache und Indien um das Vierfache. In China wird etwa die Hälfte des Weltstahls hergestellt. Bis zur Corona-Pandemie konnten die EU und Japan ihre Produktion halten. Die der USA sank.
Bis 2015 war der weitaus größte Konzern auf dem Weltstahlmarkt der europäisch-indische Stahlkonzern ArcelorMittal mit Sitz in Luxemburg. Das liegt bekanntlich in der EU und nicht in China. Seit 2019 hat die China Baowu Steel Group zu ArcelorMittal aufgeschlossen. Mit der 26. Wirtschaftskrise des Kapitalismus herrscht auf dem Weltstahlmarkt Überproduktion, die durch Corona verschärft wurde. Die Konkurrenz der beiden Stahlriesen erhöht den Druck auf andere Stahlhersteller wie Thyssenkrupp, das 2019 auf Platz 35 der Weltrangliste lag, zu größeren Einheiten zu fusionieren und Überkapazitäten zu vernichten. Das war und ist der Hintergrund für die hartnäckigen Fusionsabsichten von Thyssenkrupp Steel.
Wer mit wem fusioniert, ist offen. In der EU spricht jeder mit jedem. SSAB führt Gespräche mit Tata Steel Europe, die bei Hoogovens an grünem Stahl forscht. SSAB ist aber nicht an englischen Tata-Werken interessiert, so dass bei einer Fusion eine Aufspaltung von Tata-Steel drohen würde. Liberty Steel (LS) mit Sitz in London hat an Thyssenkrupp Steel Interesse, um nach dem Brexit ein stählernes Standbein in der EU zu haben und an Forschungen über grünen Stahl beteiligt zu sein. Ohne einen großen Stahlhersteller in der EU taugen Liberty Steels Expansionspläne allenfalls für die Schrottbox, denn LS leidet stark unter dem Rückgang des Stahlmarkts in England durch den Brexit und durch die Corona-Pandemie.
CO2: Wendung um 180 Grad
Die weltweite Bewegung gegen die Klimazerstörung hat vielen die Notwendigkeit der Umstellung der Industrie auf CO2-arme Produktion bewusst gemacht. Allein Thyssenkrupp produzierte bislang 24 Mio. Tonnen Kohlendioxid jährlich. Die plötzliche Wendung der Stahlkonzerne zu grünem Stahl ist jedoch nicht auf umweltpolitische Einsicht, sondern auf massive Kapitalinteressen zurückzuführen.
Gestern waren die deutschen Stahlkapitalisten gegen jeden Kompromiss in der Klimafrage. Sie verteidigten ihre Extra-Profite aus dem Emissionshandel von 763 Mio. Euro (2005-2012), die weiterfließen sollten. TK-Steel bezahlte ArbeiterInnen, um in Brüssel gegen die Klima-Auflagen der EU zu protestieren, und finanzierte einen Professor, für den CO2 „gut für den Planeten“ war. Den Kurs von TK bestimmten die Finanzkapitalisten, die allein Interesse an kurzfristigem Profit und nicht an langfristigen Umbauplänen haben. Sie wollen den Verlustbringer TK Steel unbedingt loswerden. Jede Milliarde Euro mehr für grünen Stahl ist eine Milliarde weniger für die Aktionäre. FDP-Minister Pinkwart konnte und wollte in der Landtagsdebatte jedoch nur die Folgen der Corona-Krise sehen, die Thyssenkrupp davon abhielten, in die notwendige Umstellung auf grünen Stahl zu investieren.
Heute sehen die deutschen und europäischen Stahlhersteller in der Produktion von grünem Stahl die einmalige Chance, die EU gegen Stahlimporte abzuschotten. Wenn für jedes Auto, jede neue Brücke, jeden Stahlträger im Hochhausbau und für jedes neue Kriegsschiff der Nachweis erbracht werden muss, dass sie mit grünem Stahl in einer nachhaltigen Lieferkette produziert werden, dann werden viele Nicht-EU-Stahlhersteller aus den Angebotsverfahren herausfallen. Diese langfristige Politik wird von der Bundes- und den drei beteiligten Landesregierungen unterstützt.
Umgekehrt werden die Stahlkonzerne wie SSAB, die ab 2026 grünen Stahl herstellen wollen, Extra-Profite einstreichen. Es ist die kapitalistische Konkurrenz, die die europäische Stahlindustrie zwingt, nicht bis 2050, sondern schon bis 2030 grünen Stahl zu produzieren. So will z.B. Liberty Steel bis 2030 CO2-neutral produzieren und dafür den EU Green Deal unterstützen d.h. über eine Fusion mit Thyssenkrupp an Technologie und an Fördergelder der EU und der BRD kommen. Wer als EU-Stahl-Produzent bis dahin nicht dabei ist, ist nicht nur aus dem EU-Stahlmarkt raus, sondern als Stahlkonzern tot.
Kapitalinteressen bei Thyssenkrupp
Die Geschäftsfelder von Thyssenkrupp bilden nicht mehr ein Ganzes, sondern eine „Group of Companies“. Stahl ist die größte „Company“ und das Herz des Konzerns. Ohne Stahl bleiben vom Konzern nur Einzelteile, die als „Companies“ weiter zerlegt, verkauft oder dicht gemacht werden können. Genau das ist das Interesse der verschiedenen Finanzkapitalisten, die über 30 % der Aktien der Thyssenkrupp AG besitzen und von denen CEVIAN der größte ist. Je schneller sie den Verlustbringer Stahl loswerden, um so früher können die Aktionäre bedient werden. Der Rest-Konzern soll zerschlagen werden, wofür die „Group of Companies“ die kürzlich geschaffene, passende Organisationsstruktur ist.
Durch die Konkurrenz auf dem Weltstahlmarkt und durch die notwendige Umstellung auf grünen Stahl haben sich jedoch die Interessenlagen verschoben. Der größte Hauptaktionär bei Thyssenkrupp ist mit 21% die Krupp-Stiftung, in der auch die Landesregierung NRW vertreten ist. Die Stiftung trug in der Vergangenheit die Vorgaben der Finanzkapitalisten mit, so dass sogar die Krupp-Nachfahren öffentlich gegen die Stiftungspolitik Stellung nahmen.
Hinter den Kulissen der Bundesregierung wird an der Bildung einer Deutschen Stahl AG gebastelt, die aus Thyssenkrupp, der Salzgitter AG und aus Saarstahl bestehen soll. Das Druckmittel der Bundesregierung sind die Milliarden Steuergelder, die für die Umstellung auf CO2-arme Produktion und des Energieweges in Aussicht gestellt werden. An einer Deutschen Stahl AG wäre der Bund über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds beteiligt. Entsprechende Debatten mit entsprechenden Arbeitsgruppen laufen seit Monaten zwischen Bund, Ländern und Konzernen. Zusätzliche Gelder kommen aus der EU. Der Bundesregierung geht es auch um eine grüne EU-Stahlindustrie. Daher ist sie einer Fusion mit einem weiteren EU-Stahlkonzern nicht abgeneigt. Die Landesregierungen NRW, Saarland und Niedersachsen, über Stiftungen bzw. Anteile an Thyssenkrupp, Saarstahl und der Salzgitter AG beteiligt, sind eingebunden. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart avancierte in der EU bei verschiedensten Stahlkonzernen, um Fusionsmöglichkeiten auszuloten und um sich über den technischen Stand der Forschung an grünem Stahl zu informieren. Offen für eine Fusion meinte Pinkwart in der Landtagsdebatte über Thyssenkrupp Steel: „Wir werden dann über den einen oder anderen Standort reden müssen“.
Die Politik der IG Metall
In der Landtagsdebatte lobte Herr Pinkwart die Rolle der Gewerkschaften bei Thyssenkrupp als „sehr verantwortungsvoll“. Was das Kompliment des FDP-Politikers meint, ist die Einbindung der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, der IG Metall-Bürokratie und der Betriebsratsspitzen der großen Stahlwerke in die neue herrschende Stahlpolitik.
Die führenden IG Metall-Funktionäre im Stahlbereich, die sich früher über ´linke Spinner` mit ihren Enteignungsforderungen lustig machten, treten nun für eine Staatsbeteiligung an Thyssenkrupp ein. Sie, die - wie jetzt der SPD-Redner im Landtag - auf jeder Kundgebung deutschen Stahl für den „saubersten Stahl der Welt“ hielten, sind plötzlich für die Umstellung auf grünen Stahl. Die Politik zur Bildung einer Deutschen Stahl AG und zur Umstellung auf grünen Stahl wird unterstützt. Gut möglich, dass der zusätzliche Abbau von 5000 Arbeitsplätzen (zu den bisher 6000) bei Thyssenkrupp und der geplante Abbau von 1.500 Arbeitsplätzen bei der Dillinger Hütte und bei Saarstahl bereits in Hinblick auf die Bildung einer Deutschen Stahl AG erfolgen.
In der betrieblichen Praxis sieht die Politik der IG Metall konkret so aus:
- Mit dem Tarifvertrag Zukunftspakt Stahl 20-30 wurde dem Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen zugestimmt, ohne den weiteren Abbau von Arbeitsplätzen auszuschließen.
- Für das Werk Thyssenkrupp Süd in Hüttenheim bietet der Tarifvertrag keine Zukunft, sondern bedeutet das „AUS“.
- Es wurde keine einzige Milliarde Euro als Investition in grünen Stahl festgeschrieben, obwohl die Thyssenkrupp AG 17 Mrd. Euro durch den Verkauf von TK-Elevator einnahm.
Das sind gleich drei Bankrotterklärungen auf einmal.
Zwar haben IG Metall-Bürokratie und Betriebsratsspitzen über die gewerkschaftlichen Aufsichtsräte und die paritätische Mitbestimmung erheblichen Einfluss bei der TK AG. Aber sie waren an allen krassen Fehlentscheidungen beteiligt. Als Aufsichtsräte stimmten sie für die Investitionen in Amerika. Sie waren erst gegen die Fusion mit Tata-Steel, dann kippten sie um und waren dafür. Das wertete ein Landtagssprecher der CDU als „verantwortlich agieren“.
Zuletzt bewilligte der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG der Vorstandsvorsitzenden Merz 500.000 Euro und den Vorständen Burkhard und Keysberg 200.000 Euro Erfolgsprämie. Auch die „Arbeitnehmervertreter“ stimmten dafür. Der Skandal, der von unserem Betriebsflyer was tun am 23.11.20 aufgedeckt wurde, sorgte angesichts der Abbaupläne und der Verlustzahlen in der Belegschaft für große Empörung.
Revolution von oben
Die Umstellung der Industrie auf grüne Produktion ist eine kapitalistische Revolution von oben. Sie wird von den bürgerlichen Parteien unterstützt, deren modernste die Grünen sind. Für die neoliberale, rassistische Spießerpartei AfD, die die menschengemachte Klimazerstörung leugnet, ist für die Umstellung auf grüne Produktion nicht die kapitalistische Konkurrenz, sondern die Politik verantwortlich. Die Finanzkapitalisten und die AfD brauchen keinen grünen Stahl.
Offensichtlich war die ArbeiterInnenklasse nicht in der Lage, die Klima- und Umweltzerstörung durch eine Revolution von unten zu stoppen. Im Gegenteil: In vielen Ländern sind ArbeiterInnen der Umstellung der Industrie auf CO2-arme Produktion feindlich gesinnt. Das zeigt z.B. in den USA auch die Unterstützung der Mehrheit der weißen ArbeiterInnen für Trump.
Der Aufruf des Sprechers der Grünen im Landtag an die Landesregierung zum Kampf um die Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp war in den Wind gesprochen. Die bürgerlichen Parteien CDU, FDP und SPD sind für die Abspaltung der TK-Steel von der Mutter. Mit einer Fusion kalkulieren sie Standortschließungen und massiven Arbeitsplatzabbau ein.
Die ArbeiterInnenklasse könnte mit Aktionen verhindern, dass die umweltpolitisch notwendige Umstellung auf grünen Stahl nicht auf ihre Kosten, durch ihre Steuergelder und durch die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze, erfolgt. Dazu muss sie sich umorientieren und aktiv werden.
Belagern wir das Hauptquartier!
Das heißt für die StahlarbeiterInnen, dem Klassenkampf von oben den Klassenkampf von unten entgegensetzen:
- Keine Zerschlagung der Thyssenkrupp AG. Keine Ausgliederung der TK Steel. Keine Fusion mit Liberty Steel. Belagern wir das Hauptquartier Thyssenkrupp in Essen!
- Arbeitszeitverkürzung bis alle Arbeit haben, Einführung 4-Tage-Arbeitswoche;
- Erhalt aller Standorte des Konzerns einschließlich von Thyssenkrupp Süd in Hüttenheim;
- Enteignung der Finanzkapitalisten, Verstaatlichung der Stahlindustrie, Inbesitznahme der Betriebe durch die Lohnabhängigen d.h. die Sozialisierung der Stahlbetriebe;
- Mit Fridays for Future verbünden und sich an die Spitze der Bewegung gegen die Klimazerstörung stellen;
- Für die Umstellung der Autogesellschaft auf eine Gesellschaft des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs;
- Veränderung beginnt mit Opposition: In Betriebsräten und der IG Metall eine radikale Opposition gegen die sozialpartnerschaftlichen Betriebsratsspitzen bzw. gegen die Gewerkschaftsbürokratie aufbauen.
RIR, Duisburg. 06.12.2020
- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -
US-WahlEine Stimme wird laut
Rund um die Uhr quälten uns die Medien mit neuen Nachrichten über die Wahlen in den USA. Trump oder Biden?
Ginge es nach Wahlkampfspenden, hieße der Gewinner Trump statt Biden: Trump nahm 343 Mio. Dollar ein, Biden 279 Millionen Dollar. Beide Kandidaten sind Vertreter des Kapitals, verfolgen nur in Teilbereichen unterschiedliche Interessen. Viele African Americans halten weder Trump noch Biden für wählbar.
Undemokratisches Wahlsystem
Würde das US-Wahlsystem in Russland gelten, würden uns die bürgerlichen Medien und PolitikerInnen beweisen, wie undemokratisch das Land unter Putin ist. 2016 gewann Hillary Clinton 65,8 Millionen Stimmen gegenüber Donald Trump, der nur 62,9 Millionen Stimmen bekam. Die Demokratin hatte rund 3 Millionen Stimmen mehr. Sie verlor jedoch die Wahl mit 227 Wahlleuten gegenüber Trump, der von 304 Wahlleuten gewählt wurde.
Selbst nach bürgerlich-demokratischem Maßstab kann man die USA höchstens eine ´Demokratie` der Milliardäre nennen. Doch richtet sich das Trommelfeuer hiesiger Kritik allein gegen die Person Trumps, nicht gegen das US-Wahlsystem. Hoffen doch Merkel, Maas und Söder, dass die USA mit einem Präsidenten Biden wieder ein verlässlicher Bündnispartner werden. Der US-Imperialismus soll in alter Gewohnheit funktionieren: Während der Präsidentschaft Obamas führten die USA sieben Kriege bzw. Angriffe auf andere Länder.
Börse für Biden
Zum alten Trott will auch die Mehrheit der US-Börsianer zurück. Sie ist für Biden, weil innenpolitische Unruhen und außenpolitische Handelskriege den Geschäften schaden, die besonders in Corona-Zeiten schlechter laufen. Bei den Corona-Hilfen fürs Kapital über insgesamt 2,7 Billionen Euro waren sich Demokraten und Republikaner weitgehend einig, ebenso bei der Senkung der Körperschaftssteuer von 35 % auf 21 %. Als Trump 2020 für das Militär 775 Milliarden US-Dollar ausgeben wollte, schlugen die Demokraten 50 Milliarden Dollar mehr vor. Nun will Biden die politische Spaltung überwinden, die bitter verfeindeten Lager versöhnen und ein „Präsident aller Amerikaner“ werden.
Rasanter Aufbruch
Der Blick vieler KommentatorInnen auf die USA blendet eine wichtige Entwicklung völlig aus:

den Aufbruch des Sozialismus. Die Democratic Socialists (of America) https://www.dsausa.org/ wuchsen von 6.000 Mitgliedern 1982 auf 42.000 Mitglieder im Juni 2018 und 75.000 Mitglieder im Oktober 2020. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist im erdrückenden Zwei-Parteien-System der USA eine linke Stimme hörbar. Die Democratic Socialists mit vielen jungen Gesichtern sind auf dem Weg, zu einer politischen Kraft zu werden.
Die Anti-Globalisierungsbewegung Occupy Wall Street 2011, die Frauenbewegung Me Too 2017 und die antirassistische Bewegung Black Lives Matter haben viele Menschen und besonders Jugendliche politisiert. Allein Black Lives Matter mobilisierte bisher 26 Millionen Menschen. Eine wachsende Minderheit in diesen Bewegungen sucht nach einer politischen Alternative zu Republikanern und Demokraten. Wenn Trump das Gespenst des Sozialismus heraufbeschwört, so mag das für MarxistInnen vielleicht lächerlich klingen. Doch wittert die herrschende Klasse in den USA die Gefahr, dass die SozialistInnen die sozialen Bewegungen radikalisieren und nach der Corona-Krise den Klassenkampf von unten anheizen könnten.
RIR 08.11.2020
- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -
Thyssenkrupp: Beteiligung, Verstaatlichung, Sozialisierung?
Die Diskussion hat begonnen…
Die Mobilisierung der Belegschaften von Thyssenkrupp Steel am 16. Oktober nach Düsseldorf war nicht gut. Nicht 3.000, sondern 1.500, höchstens 2.000 der 27.000 KollegInnen waren aus den verschiedenen Betrieben nach Düsseldorf gekommen. Das liegt nicht nur an den Corona-Auflagen. Die Mobilisierung in Düsseldorf war kein Auftakt zum Kampf. Aber die Diskussion hat begonnen, was das Ziel unseres Kampfes sein soll.
Auf der Kundgebung verunsicherte das kurzfristig bekannt gewordene Kaufangebot des britischen Konzerns Liberty-Steel für Thyssenkrupp Steel (TKS). Vielleicht ist das sogar Zweck der Sache. Denn ein „nicht bindendes Gebot“ ist kein Angebot.
Auch die Forderung nach einer Staatsbeteiligung ist neu. Das war bisher nicht die Position der IG Metall.
Am Rande des Abgrunds
Die internationale Konkurrenz der Stahlkonzerne, der Konjunkturrückgang durch die Corona-Pandemie, die notwendige Umstellung auf grünen Stahl und ein unfähiges Management haben dazu geführt, dass der Konzern Thyssenkrupp und damit auch die TK Steel am Rande des Abgrunds stehen. Die 12 Mrd. Euro Fehlinvestitionen in den Sümpfen Amerikas fehlen heute für eine Umstellung auf grünen Stahl.
Das Management
Die TK-Vorstandsvorsitzende Frau Merz zieht alle fünf Monate eine neue Strategie aus dem Hut. Der Vorstand, in dem der Arbeitsdirektor von der IG Metall gestellt wird, möchte nun eine Staatsbeteiligung. Die verschiedenen Finanzinvestoren, die insgesamt über 30 Prozent der Aktien besitzen, möchten von den 17 Mrd. Euro für den Verkauf der TK-Elevator einsacken. Jede Milliarde mehr für die Umstellung auf grünen Stahl ist eine Milliarde weniger für die Aktionäre.
Die IG Metall-Bürokratie
Kaum klingelten die 17 Mrd. Euro in den Kassen des Konzerns, wurden die Rufe der IG Metall-Bürokratie und der IGM-Betriebsräte nach einer Staatsbeteiligung laut. Die IGM möchte eine Beteiligung des Landes NRW bzw. des Bundes an Thyssenkrupp, damit der Staat 10 Milliarden Euro für die Umstellung auf grünen Stahl (bis 2050!) zahlt. Eine Offenlegung, wie viele der 17 Milliarden Verkaufserlös bereits ausgegeben wurden (wahrscheinlich 10 Mrd. Euro für Schulden und Verluste), bleiben uns bis heute die IGM-Aufsichtsräte schuldig. Sie sitzen nur deshalb im Strategieausschuss des Konzerns, um ihre Aufsichtsratsvergütung zu kassieren.
Wieviel zahlt Thyssenkrupp für grünen Stahl? Diese Frage wollen die IGM-Bürokraten schon deshalb nicht beantworten, weil ihre Perspektive nur bis 2030 reicht und im Tarifvertrag Zukunftspakt Stahl 20-30 keine einzige Milliarde Euro für grünen Stahl festgeschrieben ist. Wie konnten die IGM-Aufsichtsräte dem Verkauf der TK-Elevator zustimmen, ohne dass die Aufteilung der 17 Mrd. Euro vertraglich vereinbart wurde?
Grundsatzdebatte
Land und Bund sind bereit, Milliarden für die Umstellung auf grünen Stahl auszugeben. Dazu soll eine Deutsche Stahl AG gegründet werden, was noch auf Widerstände möglicher Beteiligter z.B. der Salzgitter AG stößt. Während in Beamtenkreisen des Wirtschaftsministeriums bereits über eine Vollverstaatlichung von Thyssenkrupp nachgedacht wurde, lehnen Altmaier und Laschet öffentlich bislang eine Staatsbeteiligung ab. Der CDU-Wirtschaftsrat und der Verband der Maschinenbaukapitalisten VDMA haben jede staatliche Beteiligung an Thyssenkrupp als ´systemgefährdend` diffamiert.
Drei linke Positionen
Die Partei Die Linke möchte Schlüsselindustrien in demokratische gesellschaftliche Eigentumsformen überführen und kapitalistisches Eigentum überwinden. Die Linke NRW fordert: „Schlüsselindustrien gehören in die öffentliche Hand“. Der linke Landesverband NRW hat leider diese richtige Grundsatzforderung verwässert. Er fordert unter Einfluss des saarländischen Beispiels eine Stiftungsmodell für die Stahlindustrie und Thyssenkrupp. Das saarländische Stiftungsmodell wurde nach der Pleite der Saarstahl AG 1993-2001 eingeführt. Die Montan-Stiftung Saar kontrolliert die Stahl-Holding-Saar. Die Belegschaft hat so wenig zu melden wie die von Thyssenkrupp.
Der Hauptaktionär von Thyssenkrupp ist bereits die Krupp-Stiftung, die all die Jahre einen sehr schädlichen Einfluss auf den Konzern ausübte. Eine Industriestiftung für NRW würde wie andere Stiftungen hierarchisch-diktatorisch funktionieren; die Belegschaften wären von allen Entscheidungen ausgeschlossen. Der Vorschlag der Linken könnte im Fall einer Pleite von Thyssenkrupp eine Notlösung sein.
Die MLPD hat sich gegen jede staatliche Beteiligung ausgesprochen. Öffentliche Gelder sollten lieber im Gesundheitswesen investiert werden. Wie die allgemeine Umstellung der Industrie auf CO2-arme Produktion ohne staatliche Hilfe erfolgen soll, braucht eine Partei nicht zu wissen, die gegen Zechenschließungen auftritt.
Seit 2016 haben wir in unserem Betriebsflyer was tun bei TK-Steel aufgrund der Schieflage des Konzerns die Vergesellschaftung der Stahlindustrie gefordert. In Kreisen der IGM-Betriebsräte und Vertrauensleute wurden wir lange belächelt. Auch viele KollegInnen konnten mit einer Sozialisierung wenig anfangen. Doch heute findet die Debatte in den Pausenräumen statt. Jetzt sind sogar die IG Metall-Bürokratie und ihre Berufsbetriebsräte gezwungen, die Staatsbeteiligung zu fordern, die sie früher abgelehnt haben. Morgen werden sie vielleicht die Vergesellschaftung fordern müssen.
Sozialisierung
Nur revolutionäre Maßnahmen können Thyssenkrupp-Steel retten.
Unsere Forderung der Sozialisierung umfasst mehrere Punkte:
- Die Umwandlung jeder staatlichen Finanzspritze an Thyssenkrupp in eine staatliche Beteiligung;
- Die Enteignung der Finanzkapitalisten bei Thyssenkrupp;
- Die Beschlagnahme der restlichen Milliarden aus dem Verkauf von TK-Elevator für Investitionen in grünen Stahl;
- Die Verstaatlichung von Thyssenkrupp, damit nicht die SteuerzahlerInnen Milliarden für die Umstellung auf grünen Stahl zahlen, aber Aktionäre davon profitieren;
- Eine Jobgarantie für unsere Arbeitsplätze bei radikaler Arbeitszeitverkürzung;
- Die Inbesitznahme von Thyssenkrupp durch die Beschäftigten. Abhängigkeit und Wahl aller Chefs und Leitungen durch die Teams, Abteilungs-, Bereichs- und Betriebsversammlungen.
So blöd ist keine Belegschaft, dass sie 12 Mrd. Euro in den Sümpfen Amerikas versenkt.
RIR 23.10.2020
Neoliberalismus
Nach wie vor sind SPD, CDU und Grüne im Kern neoliberal. Das wird bald offensichtlich werden, wenn sie die Krisenlasten auf die ArbeiterInnenklasse
abwälzen. Trotz massiver Entlassungen in vielen Betrieben ist der neoliberale Block (einschließlich der AfD und der FDP) politisch unangefochten. Von SPD bis AfD gewannen die neoliberalen Parteien insgesamt 47.000 WählerInnen. Eine politische Krise des Kapitalismus sieht anders aus.
Beruhigungsspritzen
Es ist einzuwenden, dass CDU und SPD aktuell keine neoliberale, sondern eine keynesianistische Politik machen. Hunderte Milliarden Euro Investitionen für Corona-Krisen-Programme und für den ökologischen Umbau der Industrie durch eine bürgerliche Reform von oben sind mehr, als vor der Pandemie die Partei Die Linke jemals gefordert hatte. Mit den Geldern sollen nicht nur Großkapitalisten, kleine Selbstständige, sondern auch die ArbeiterInnenklasse beruhigt werden. Die Kommunalwahlen zeigen, dass es (vorerst) funktioniert. Ohne die Konjunktur- und Krisenprogramme wären die Verluste von CDU und SPD erheblich höher ausgefallen.
Das politische Personal der Bourgeoisie verteidigt die kapitalistischen Klasseninteressen sehr geschickt. Das zeigte sich in der Weltwirtschaftskrise 2007/2008, das zeigt sich heute. Die zahlreichen bürgerlichen Wählerlisten sind Indizien für die politische Gärung im Kleinbürgertum (85.000 WählerInnen). Doch konnten sie örtlich genau so wenig punkten wie Die Partei (21.953 WählerInnen; Piraten 6.469 WählerInnen -26.477).
Die Sozialdemokratie
Die SPD hat viele WählerInnen verloren (-160.000). Ein Teil von ihnen sind direkt zur AfD übergelaufen, was Bände über den (anti)rassistischen Diskurs in der Sozialdemokratie spricht. Aber nach wie vor hat sie im Ruhrgebiet die meisten WählerInnen (567.000).
Der Verlust vieler Mandate verurteilt diese parlamentarische Partei zur Dauerkrise. Denn sie verliert auch Einfluss in den Stadtverwaltungen. Die Personaldecke der SPD wird dünner. Wie ist es sonst zu erklären, dass die Sozialdemokratische Partei in zwei Städten, die die gleichen Probleme haben, sich in Herne halten konnte, während sie in Gelsenkirchen massive Verluste einfuhr?
Zwar sind linke Hoffnungen auf einen Zusammenbruch der SPD fehl am Platz. Aber die Partei, der die ArbeiterInnenklasse HartzIV und die Rente mit 67 zu verdanken hat, hat ihre politische Hegemonie im Revier verloren.
Die modernste kapitalistische Partei
Die Grünen haben das modernste bürgerliche Programm zu einer ökologischen Umgestaltung des Kapitalismus. Obwohl es CDU und SPD sind, die die Industrie klimaneutral umgestalten wollen, wird dies von vielen WählerInnen als Erfolg der Grünen betrachtet.
Besonders die 16 bis 24jährigen WählerInnen sind stark beeinflusst von der Debatte, die Fridays for Future über die Klimakatastrophe in der Gesellschaft angestoßen hat. Unter SchülerInnen und StudentInnen gelten die Grünen als ´modern`. Von den 16 – 24Jährigen wählten in Dortmund: 42% Grüne, 19% SPD, 10 % CDU, 8% Linke, 8% FDP, 6% Die Partei, nur 2% AfD. Dieser Trend wird auch Auszubildende und jugendliche Erwerbstätige erreichen.
Staatlich geförderter Rassismus
Der Rassismus der AfD wird von 127.000 WählerInnen unterstützt. Er wird nun in den Kommunen mit staatlichen Geldern gefördert und sich weiterverbreiten, da die AfD in fast allen Kommunalparlamenten im Ruhrgebiet vertreten ist. Sie bekommt dadurch ein größeres politisches Echo und eine feste organisatorische Basis. So funktioniert das kapitalistische System. Doch noch muss die AfD überall im Ruhrgebiet ihre Plakate besonders hoch hängen, weil sie sonst zerstört werden.
Die faschistische NPD bekam ein paar Hundert Stimmen. Einige Tausend ihrer früheren WählerInnen wechselten zur AfD. Die Gewinne der AfD sind die Krise der NPD. Die faschistische Die Rechte bekam 2.852 Stimmen, wobei sie in Dortmund WählerInnen gewann und ihr Mandat halten konnte. Sie versucht, sich über eine Wahlbeteiligung organisatorisch aufzubauen, um sich bei einem Ausschluss des Höcke-Flügels aus der AfD als faschistische Alternative anzubieten.
Und die linken Parteien?
Für die Partei Die Linke stimmten im Revier 71.000 WählerInnen. Damit hat sie ein Drittel ihrer WählerInnen verloren (- 33.000). Das ist viel. Im Kampf gegen die Klimakatastrophe steht Fridays for Future weltweit an der Spitze der Bewegung, so wie Black Lives Matter an der Spitze der antirassistischen Bewegung steht – und nicht etwa die ArbeiterInnenklasse. Die Linke läuft nur mit.
Dazu kommen organisatorische Defizite. In dreizehn Jahren politischer Arbeit hat es Die Linke nur in wenigen Ausnahmefällen geschafft, Stadtteilgruppen aufzubauen. Selbst im Ruhrgebiet ist die Linkspartei stark akademisch geprägt. Obwohl sie genug AktivistInnen mit Migrationshintergrund aus der ArbeiterInnenklasse hat, ist es ihr nie gelungen, in Betrieben eine sichtbare politische Arbeit aufzunehmen und sich dort als Partei zu verankern. Das war aber auch nie ihre Absicht.
Eine Ruhrgebietsstruktur der Linken gibt es nicht. So wird der starke Rückgang der Wahlunterstützung ausgeblendet. Man ist zufrieden, wieder in den einzelnen Stadträten vertreten zu sein. Hier zeigen sich die politischen Folgen der polyzentrischen Struktur des Ruhrgebiets.
Die DKP hielt ihre Unterstützung und Mandate in Bottrop. Die Soziale Liste verlor leider Stimmen und ihr Mandat in Bochum. Die MLPD-nahen AUF-Listen wollten sich auf Bergarbeiter stützen. Doch im Zeichen der Klimakatastrophe sind die Zechen dicht. AUF-Listen kandidierten nicht mehr in Essen und Mülheim, aber in Gelsenkirchen und in den Bergarbeiterkommunen Bergkamen und Neukirchen-Vluyn. Für sie stimmten ca. 2.500 WählerInnen. Das waren ca. 1.500 WählerInnen weniger als für die AUF-Listen bei der Kommunalwahl davor.
Es ist schon des Nachdenkens wert: Die linken Parteien und Organisationen verlieren unter den Bedingungen einer scharfen Corona-Krise mit Massenentlassungen und vor einer drohenden Klimakatastrophe an Zustimmung in der ArbeiterInnenklasse.
RIR, Duisburg, 26.09.2020